Am 6. Mai 2012, einen Tag vor der Inauguration
Wladimir Putins, ist es in Moskau am Rande einer Kundgebung zu
Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Gegen 29 Teilnehmer wurde ein
Prozess eingeleitet, das Verfahren gegen zwei weitere, Sergej Udalzov
und Leonid Razvozzhaev, soll am 4. Februar beginnen.
Bis zum 6. Februar sollten die Ermittlungen im
ersten Verfahren abgeschlossen sein, inzwischen wurde diese Frist
anscheinend nochmals
verlängert. Am 2. Februar fand in Moskau eine Solidaritätskundgebung für die Angeklagten mit mehreren Tausend Teilnehmern
statt.
Der Menschenrechtsrat der Russischen Föderation
(nicht mit dem „Rat beim Präsidenten der RF für die Entwicklung der
Zivilgesellschaft und für Menschenrechte“, ebenfalls kurz
„Menschenrechtsrat“ genannt, zu verwechseln) hat die nachstehende
Erklärung zur Unterstützung der Bolotnaja-Angeklagten
abgegeben.
"Der erste Gruppenprozess im Zusammenhang mit den
Ereignissen vom 6. Mai 2012 befindet sich in seinem Endstadium. Von
zwölf Angeklagten sind nur vier unter die Amnestie gefallen, acht
Personen erwarten ihr Urteil. Den anderen stehen Gerichtsverfahren noch
bevor.
Die Staatsanwaltschaft hat bereits für Aleksandra
Duchanina (verh. Naumova) und Sergej Krivov sechs Jahre Haft beantragt;
für Andrej Barabanov, Stepan Simin, Denis Luzkevitsch, Alexej
Polichonovitsch und Artem Savelov – fünfeinhalb und für Jaroslav
Belousov fünf Jahre.
Das Gericht kann in der Regel etwas hinter diesen
Anträgen zurückbleiben, die nächsten Instanzen lassen dann gewöhnlich
noch etwas nach, um Humanität zu demonstrieren. Jedes Urteil, das die
„Bolotnaja-Häftlinge“ für Jahre hinter Gitter bringt, werden die
russische sowie die internationale Öffentlichkeit als grausame und
zynische demonstrative Abrechnung empfinden.
Es ist bekannt, und das seit einem halben Jahr
andauernde Gerichtsverfahren hat es erneut bestätigt, dass es an diesem
Tag in Moskau zu keinen massenhaften Ausschreitungen gekommen ist. Das
wird umso deutlicher, wenn man diese Ereignisse mit der Konfrontation
auf den Straßen von Kiew vergleicht. Der physische und psychische
Schaden, den Vertreter der Ordnungskräfte erlitten haben, ist minimal im
Vergleich mit den Zusammenstößen am Abend des 6. Mai am Bolotnaja-Platz
und mit der Grausamkeit, mit der dort Polizeikräfte und
Spezialeinheiten gegen die Demonstranten vorgingen.
Der Prozess hat gezeigt, dass keine Beweise dafür
vorliegen, dass die Angeklagten den Verletzten irgendeinen Schaden
zugefügt hätten. Dessen sind sich alle Beteiligten bewusst: das Gericht,
die Behörden, die Gesellschaft und die Gutachter.
Im Falle eines Schuldspruchs würden die Machthaber,
ungeachtet aller vorigen Schritte, demonstrieren, dass sie sich auf
einen Konfrontationskurs mit der Zivilgesellschaft begeben wollen.
Ludmila Alekseeva (Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe)
Svetlana Gannuschkina (Vorsitzende des Komitees „Bürgerhilfe“)
Valerij Botschtschev (Mitglied der Moskauer Helsinki-Gruppe)
Jurij Vdovin (Stellvertretender Vorsitzender von “Bürgerkontrolle”)
Oleg Orlov (Mitglied im Rat des Menschenrechtszentrums MEMORIAL)
Lev Ponomarev (Direktor der Bewegung “Für Menschenrechte” (Za prava tscheloveka)
Alexander Tscherkassov (Vorsitzender des Rats des Menschenrechtszentrums MEMORIAL)"
Informationen zu diesem Prozess auf Russisch
hier.