Sonntag, 29. Mai 2011

Chodorkovskijs "Briefe aus dem Gefängnis"

Foto:  Knaus Verlag

"Und selbstverständlich bin ich dagegen, dass der Staat als Okkupant in „tatarisch-mongolischer“ Tradition auftritt, von den Bürgern Geld eintreibt und nicht verpflichtet ist, über die Verwendung dieser Abgaben Rechenschaft abzulegen, sich nicht um die Interessen der Bürger schert und ihnen diktiert, wie sie leben sollen.“ 


Dies schrieb Michail Chodorkowskij am 24. Juni 2009 an die russische Gegenwartsautorin Ljudmila Ulitzkaja. Der Brief ist auf Seite 102 seines am 30. Mai erscheinenden Buches zu finden, darüber hinaus ein beeindruckender Briefwechsel und Essays. Begleitet von regem Medieninteresse stellte Pavel Chodorkowskij - der Sohn des prominenten Inhaftierten - am 26. Mai 2011 im Foyer des Berliner Gorki-Theater die deutsche Fassung der Öffentlichkeit vor. 


Das Erscheinen von „Briefe aus dem Gefängnis“ - so der Titel des Werkes - war Grund genug für Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, damals Berichterstatterin für die parlamentarische Versammlung zum Jukos-Prozess, Stellung zu dem brisanten Fall zu nehmen: Sie setzte auf eine Politik der klaren Worte und wünschte sich ein demokratisches, europäisches Russland. Nach wie vor habe sie Hoffnung auf ein Ende der „Telefonjustiz“, d.h. wenn dem Richter das zu fällende Urteil im Vorfeld am Telefon mitgeteilt wird, und die Festigung eines unabhängigen Rechtswesens.

Der seit Jahren in den USA lebende Pavel Chodorkowskij hat seit Prozessbeginn im Oktober 2003 zu seinem Vater Kontakt lediglich über Briefe - aus Sicherheitsgründen rät ihm sein Vater davon ab, nach Russland zu reisen. Besonders während des ersten Prozesses sei der Druck auf die Familie massiv gewesen: Männer in Zivil suchten seine Schwester in der Schule und seine Mutter im Büro auf und versuchten sie einzuschüchtern. 

Auf die Frage, ob denn Druck aus dem Westen überhaupt etwas ausrichten könne, antwortet der besorgte Sohn, der öffentliche Druck sei sehr wichtig, und nur so könne das Überleben seines Vaters im Gefängnis sichergestellt werden. Seit der Urteilsverkündung kenne man nicht ein mal mehr den genauen Aufenthaltsort Chodorkowskijs.

Natalja Konyashina

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