Das Menschenrechtszentrum MEMORIAL ist heute in zwei
Administrativ-Verfahren zu einer Strafzahlung von insgesamt 600.000
Rubeln verurteilt worden.
Das Gericht wirft dem Menschenrechtszentrum vor,
Veröffentlichungen nicht als die eines „ausländischen Agenten“
gekennzeichnet zu haben. Nach dem "Agentengesetz" müssen NGOs, die als
solche verzeichnet sind, dies auf all ihren Dokumenten angeben.
Konkret ging es um zwei Publikationen auf der
Website von MEMORIAL International vom 11. und 18. Juni, und zwar um
Informationen über zwei Veranstaltungen, in die das
Menschenrechtszentrum gar nicht involviert war, auch nicht einzelne seiner Mitarbeiter. Veranstalter war in beiden Fällen die internationale Gesellschaft MEMORIAL, die nicht als ausländischer Agent registriert ist.
Im ersten Fall handelt es sich um die Ankündigung eines Vortrags von Kirill Welikanow zur Frage der Möglichkeit eines „Internet-Parlaments“,
im zweiten Fall um den Bericht von einer Veranstaltung mit Alexander
von Plato zum Thema: „Wie wird in Deutschland nach 1945 der Zweite
Weltkrieg erinnert?“
Kirill Korotejew, der MEMORIAL vertritt, hatte
zunächst die Verlegung beider Verfahren auf einen Termin nach dem 18.
September beantragt, da an diesem Tag die Klage des
Menschenrechtszentrums gegen seine Registrierung als „ausländischer
Agent“ behandelt wird. Sollte das Menschenrechtszentrum sich hier
durchsetzen können, würden beide Administrativ-Verfahren gegenstandslos.
Das Gericht lehnte diesen Antrag in beiden Verfahren ab.
Im ersten Verfahren erklärte Kirill Welikanow als
Zeuge vor Gericht, er sei nicht vom Menschenrechtszentrum MEMORIAL zu
seinem Vortrag eingeladen worden, diese Organisation habe mit seinem
Vortrag und seinem Auftritt nichts zu tun. Ein Schreiben der
Internationalen Gesellschaft MEMORIAL, die bestätigt, die Veranstaltung
mit Welikanow organisiert zu haben, wurde zu den Akten genommen. Beide
Aussagen wurden indes vom Gericht nicht berücksichtigt, ebensowenig wie
die Argumente von MEMORIAL im zweiten Fall.
Richter Sergej Komlew verhängte in beiden Verfahren
eine Strafe von jeweils 300.000 Rubeln, wodurch sich insgesamt 600.000
Rubel (umgerechnet ca. 8.000 Euro) ergeben.
Der Vorsitzende des Menschenrechtszentrums Alexander
Tscherkassow betonte, seine Organisation sei selbstverständlich bereit,
sich für eigene Handlungen zu verantworten, aber hier gehe es um eine
andere juristische Person. Das Menschenrechtszentrum MEMORIAL ist eine
selbstständige Organisation, die neben etlichen weiteren russischen und
ausländischen Memorial-Verbänden Mitglied im Dachverband MEMORIAL
International ist.
„Ein im Wesen unrechtmäßiges Gesetz bringt auch eine
absurde Rechtspraxis hervor“, betonte Tscherkassow. „Nicht nur das
Recht geht dabei verloren, sondern auch die Logik.“
4. September 2015
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