Samstag, 25. Juli 2015

"Nach dem Pilorama"

In Perm fand ein Festival in der Tradition des „Pilorama-Forums“ statt


Vom 08. bis 12. Juli fand in Perm das Festival „Posle Piloramy“ („Nach dem Pilorama-Forum“) als Hommage an das frühere Pilorama-Forum und seine Urheber statt. Organisiert wurde das durch Crowdfunding finanzierte Festival von MEMORIAL Perm, dem Museum der Sowjetischen Naiven, der Permer Gesellschaftskammer, engagierten Permer Journalisten und zivilgesellschaftlichen Aktivisten. Von Seiten der örtlichen Behörden wurde jegliche Unterstützung verweigert, im Gegenteil - auf „dringende Empfehlung“ des Leiters der Gouverneursverwaltung wurde in der lokalen Presse und Internetportalen fast gar nicht über das Festival berichtet.

Im Rahmen des Programms fanden zahlreiche Veranstaltungen zum Gedenken an die Permer Opfer politischer Verfolgung statt, wie eine öffentliche Verlesung ihrer Namen, aber auch der Zukunft gewidmete Diskussionen („Perm nach 2017“) sowie Lieder- und Gedichtabende.  Am letzten Tag fuhren Organisatoren und Teilnehmer des Festivals gemeinsam zum Museum Perm-36 nach Kutschino.

Auf der Website des ehemaligen Trägers des Museums, der Autonomen Nichtregierungsorganisation (ANO) Perm-36 wird der Besuch ausführlich kommentiert (s.u.). Den früheren Betreibern, die die Gedenkstätte im Verlauf von zwanzig Jahren in enger Zusammenarbeit mit Memorial aufgebaut hatten, wird seit dem skandalösen Vorgang der Verstaatlichung des Museums trotz des Kooperationsversprechens seitens der Regionalregierung im vorigen Jahr der Zugang zum Verwaltungstrakt und damit zu ihrem Archiv und ihren Fonds verweigert. Mit Hilfe mehrerer Schiedsgerichtsverfahren versuchen die Regionalregierung und die neue Museumsleitung derzeit, sie zu Zahlungen in Höhe von mehr als drei Millionen Rubeln zu verpflichten.

Hier folgt der Bericht der ANO Perm-36:

In Perm ging das neue Pilorama-Forum zu Ende

Das nächste „Pilorama“-Festival wird in Vilnius stattfinden

Gestern ging im Dorf Kutschino in unmittelbarer Nähe der Mauern des Museums „Perm-36“ das öffentliche Permer Stadt-Festival „Posle Piloramy“ („Nach dem Pilorama-Forum“) zu Ende. Über vier Tage wurde ein vielseitiges, intellektuell anspruchsvolles Programm in Perm angeboten. Für den letzten Tag war von den Organisatoren eine Fahrt in das Museum geplant, von dem die Idee und der Name des internationalen Forums „Pilorama“ ausgegangen war und zu dem seit 2005 jährlich tausende Teilnehmer gekommen waren.

Mit zwei Bussen fuhren Mitglieder von Memorial und engagierte Bürger zum Museum „Perm-36“. Entgegen der Erwartung war das Museum, das sich heute „Gedenkkomplex“ nennt, geöffnet und die Exkursionsteilnehmer konnten sowohl die Gebäude, in denen früher die „strengen Haftbedingungen“ herrschten als auch das der „Sonderhaftbedingungen“ besichtigen.

Im Anschluss an die Besichtigung hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, auf dem Feld, wo früher das Zeltlager im Rahmen des „Pilorama“ seinen Platz hatte, dem Vorsitzenden des Permer Memorial Robert Latypov und dem ehemaligen Insassen von Perm-36 Viktor Pestov bei ihrem Exkurs in die Geschichte zu folgen. Ihre Ausführungen erwiesen sich nach Meinung vieler Zuhörer als weit interessanter, als der offiziell geführte Spaziergang durch den „Gedenkkomplex der politischen Verfolgung“.

„Die Empfindung der Leere würde ich als ein sehr schwieriges Gefühl beschreiben…“, sagte Maria Gorbatsch, Mitglied des örtlichen Memorial über den Museumsbesuch, „Die Museumsangestellten sind äußerst höflich. Aber alles ist seltsam. Ein graues Mädchen schleicht als grauer Schatten hinter uns über das leere Gelände. Fröhliche Plakate zum Tag des Sieges heben sich von der irgendwie monotonen Landschaft ab. Wer hätte gedacht, dass der Platz, wo früher die bunten Plakate des Pilorama-Forums leuchteten, einmal so armselig aussehen würde."

Zum Abschluss des offiziellen Programms des Festivals „Posle Pilramy“ nahmen alle an der Errichtung des symbolischen Kunstobjektes „Der Wind der Veränderungen“ teil.

Ende Juli wird es noch eine weitere Veranstaltung geben, die in Zusammenarbeit mit dem Pilorama-Festival entwickelt wurde: In Litauen ist das Forum „Europa-Laboratorium“ für „Young Professionals“ geplant. Im Juli 2012 fand das Vorgänger-Forum „Pilorama-Laboratorium“ noch im Museum Perm-36 statt. Die Kontinuität beider Laboratorien wird auch durch das gemeinsame Logo unterstrichen. Im Programm des diesjährigen ins Baltikum verlegten Forums sind Diskussionen zu den folgenden Themen vorgesehen: „Historische Erinnerung und Erinnerungskultur: Der Umgang mit Wahrnehmungskonflikten“, „Korruption: gemeinsame Last oder ein Stimulus für Fortschritt?“, „Grenzverkehr, Visa und Migration: europäische Grenzen in der globalisierten Welt“ und „Den öffentlichen Personennahverkehr neu denken: ein neues Outfit für „Problembezirke“. 

Weitere Informationen in Russisch über das Festival „Posle Piloramy“ finden Sie hier sowie auf der Website von Agenstvo socialnoj informacii und der Zeitung Zvezda.

Anke Giesen
18. Juli 2015

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