Samstag, 10. Mai 2014

Aufruf von Vertretern der russischen Zivilgesellschaft

Aufruf an die Regierungen der Russischen Föderation und der Ukrainischen Republik und an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Mit jedem Tag fallen mehr Menschen den blutigen Zusammenstößen in der Ukraine zum Opfer. Es fehlt nur wenig, und das Land stürzt in den Abgrund eines Bürgerkriegs. Mehr noch – es lassen sich Stimmen hören, die die tragischen Ereignisse in der Ukraine als Vorwand nutzen, um nach einem Einmarsch russischer bewaffneter Truppen zu rufen oder Bürger Russlands dazu auffordern, an den dortigen Kampfhandlungen teilzunehmen.

Es steht zu befürchten, dass sich eine humanitäre Katastrophe vom Ausmaß der Vorgänge im ehemaligen Jugoslawien oder der Kaukasus-Kriege wiederholt. Dies zuzulassen wäre unverzeihlich.

Wir wenden uns an die Regierungen der Russischen Föderation und der Ukrainischen Republik.
Wir wenden uns an diejenigen, die sich als Konfliktparteien im Osten der Ukraine bezeichnen.

Man muss innehalten und unverzüglich friedensbildende Maßnahmen ergreifen!

Folgende Maßnahmen halten wir für notwendig.

1.      Sofortige Feuereinstellung mit dem Verbot jedweder Verlegung bewaffneter Einheiten. Beginn eines Dialogs der Konfliktparteien.

2.      Sofortiger Austausch von Namenslisten derjenigen, die von den Konfliktparteien festgehalten werden, und Vorbereitung ihrer koordinierten Freilassung.

3.      Sofortige Schaffung der Bedingungen für den Transport humanitärer Güter, vor allem von Medikamenten und Lebensmitteln, und ebenso der ungehinderten Fortbewegung von Menschen.

4.      Die Russische Föderation erklärt, dass ihre Truppen unter keinen wie auch immer gearteten Umständen ins Staatsgebiet der Ukraine einmarschieren werden. Ebenso wird die Aushebung von Freiwilligen zur Teilnahme an den Vorgängen in der Ukraine gestoppt

5.      Die Ukrainische Republik erklärt, dass sie keinerlei militärische oder paramilitärische Kontingente aus dem Ausland auf ihr Staatgebiet rufen wird, mit Ausnahme von UNO-Friedens- oder Polizeikräften. Sie erklärt ebenfalls, Personen, die zum Zwecke der Teilnahme an Kampfhandlungen (auch auf der Seite der Zentralregierung) einreisen wollen, die Einreise zu verbieten.

6.      Im Rahmen der OSZE wird eine großangelegte Friedensmission in Leben gerufen, deren Aufgabe darin besteht, die Feuereinstellung, die Situation festgehaltener Personen (Entführte, Verhaftete, Kriegsgefangene) und ihre Freilassung zu kontrollieren. Unter die Vollmacht dieser Friedensmission soll auch die Kontrolle darüber fallen, dass weder Waffen noch Personen, die an Kampfhandlungen teilnehmen wollen, über die Grenze gelangen. Möglicherweise sind UNO-Friedenstruppen zu entsenden.

7.      Im Rahmen der OSZE und unter der Leitung der Unterzeichner der Genfer Vereinbarung vom 17. April 2014 wird ein vielstufiger Verhandlungsmechanismus ins Leben gerufen – von Strukturen, im Rahmen derer die ukrainische Regierung und Vertreter der Konfliktparteien miteinander verhandeln, bis hin zu Verhandlungen auf kommunaler Ebene zur Beilegung lokaler Krisen und zur Gewährleistung der Einhaltung der Menschenrechte sowie der Versorgung der Bevölkerung.

8.      Die Russische Föderation und die Ukrainische Republik erklären, dass gegenseitige Hasspropaganda unzulässig ist, und verurteilen diejenigen Politiker und anderen Vertreter des öffentlichen Lebens, die Feindschaft schüren und zu Gewalt und illegaler Repression aufrufen.


Erstunterzeichner:
Ljudmila Alexejewa, Bürgerrechtlerin
Lew Ponomarjow, Bürgerrechtler
Swetlana Gannuschkina, Bürgerrechtlerin
Waleri Borschtschew, Bürgerrechtler
Andrej Smirnow, Schauspieler und Regisseur
Marina Kolesnikowa, Journalistin (Presseagentur RAN)

06. Mai 2014


Im Internet kann dieser Aufruf unterzeichnet werden.


Übersetzung: Christiane Körner

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