Aufruf an die Regierungen der Russischen Föderation und der Ukrainischen Republik und an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
Mit jedem Tag fallen mehr Menschen den blutigen
Zusammenstößen in der Ukraine zum Opfer. Es fehlt nur wenig, und das
Land stürzt in den Abgrund eines Bürgerkriegs. Mehr noch – es lassen
sich Stimmen hören, die die tragischen Ereignisse in der Ukraine als
Vorwand nutzen, um nach einem Einmarsch russischer bewaffneter Truppen
zu rufen oder Bürger Russlands dazu auffordern, an den dortigen
Kampfhandlungen teilzunehmen.
Es steht zu befürchten, dass sich eine humanitäre
Katastrophe vom Ausmaß der Vorgänge im ehemaligen Jugoslawien oder der
Kaukasus-Kriege wiederholt. Dies zuzulassen wäre unverzeihlich.
Wir wenden uns an die Regierungen der Russischen Föderation und der Ukrainischen Republik.
Wir wenden uns an diejenigen, die sich als Konfliktparteien im Osten der Ukraine bezeichnen.
Man muss innehalten und unverzüglich friedensbildende Maßnahmen ergreifen!
Folgende Maßnahmen halten wir für notwendig.
1. Sofortige Feuereinstellung mit dem Verbot jedweder Verlegung bewaffneter Einheiten. Beginn eines Dialogs der Konfliktparteien.
2. Sofortiger
Austausch von Namenslisten derjenigen, die von den Konfliktparteien
festgehalten werden, und Vorbereitung ihrer koordinierten Freilassung.
3. Sofortige
Schaffung der Bedingungen für den Transport humanitärer Güter, vor
allem von Medikamenten und Lebensmitteln, und ebenso der ungehinderten
Fortbewegung von Menschen.
4. Die
Russische Föderation erklärt, dass ihre Truppen unter keinen wie auch
immer gearteten Umständen ins Staatsgebiet der Ukraine einmarschieren
werden. Ebenso wird die Aushebung von Freiwilligen zur Teilnahme an den
Vorgängen in der Ukraine gestoppt
5. Die
Ukrainische Republik erklärt, dass sie keinerlei militärische oder
paramilitärische Kontingente aus dem Ausland auf ihr Staatgebiet rufen
wird, mit Ausnahme von UNO-Friedens- oder Polizeikräften. Sie erklärt
ebenfalls, Personen, die zum Zwecke der Teilnahme an Kampfhandlungen
(auch auf der Seite der Zentralregierung) einreisen wollen, die Einreise
zu verbieten.
6. Im
Rahmen der OSZE wird eine großangelegte Friedensmission in Leben
gerufen, deren Aufgabe darin besteht, die Feuereinstellung, die
Situation festgehaltener Personen (Entführte, Verhaftete,
Kriegsgefangene) und ihre Freilassung zu kontrollieren. Unter die
Vollmacht dieser Friedensmission soll auch die Kontrolle darüber fallen,
dass weder Waffen noch Personen, die an Kampfhandlungen teilnehmen
wollen, über die Grenze gelangen. Möglicherweise sind
UNO-Friedenstruppen zu entsenden.
7. Im
Rahmen der OSZE und unter der Leitung der Unterzeichner der Genfer
Vereinbarung vom 17. April 2014 wird ein vielstufiger
Verhandlungsmechanismus ins Leben gerufen – von Strukturen, im Rahmen
derer die ukrainische Regierung und Vertreter der Konfliktparteien
miteinander verhandeln, bis hin zu Verhandlungen auf kommunaler Ebene
zur Beilegung lokaler Krisen und zur Gewährleistung der Einhaltung der
Menschenrechte sowie der Versorgung der Bevölkerung.
8. Die
Russische Föderation und die Ukrainische Republik erklären, dass
gegenseitige Hasspropaganda unzulässig ist, und verurteilen diejenigen
Politiker und anderen Vertreter des öffentlichen Lebens, die Feindschaft
schüren und zu Gewalt und illegaler Repression aufrufen.
Erstunterzeichner:
Ljudmila Alexejewa, Bürgerrechtlerin
Lew Ponomarjow, Bürgerrechtler
Swetlana Gannuschkina, Bürgerrechtlerin
Waleri Borschtschew, Bürgerrechtler
Andrej Smirnow, Schauspieler und Regisseur
Marina Kolesnikowa, Journalistin (Presseagentur RAN)
06. Mai 2014
Im Internet kann dieser Aufruf unterzeichnet werden.
Übersetzung: Christiane Körner
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