Die Arbeit wird jedoch weiter gehen
Das vergangene Jahr 2013 war für viele ein schlechtes Jahr. Das gilt für NGOs, die ins Kreuzfeuer staatsanwaltlicher Überprüfungen gerieten, für Minderheiten, deren Rechte gesetzlich eingeschränkt wurden, Migranten, die sowohl von Seiten der Behörden als auch von Nationalisten „Razzien“ ausgesetzt waren, Gefangenen, die vergeblich auf eine Amnestie hofften. Schlecht erging es auch Ökologen und Menschenrechtlern, gemeinnützigen Organisationen und religiösen Gruppen.
Das Jahresende brachte auch das Ende für einige Arbeiten und Themen. Der Beginn des neuen Jahres wird hier auch ein Neubeginn.
Die Arbeit an den Projekten der privaten
gemeinnützigen Institution „Antidiskriminierungszentrum ‚Memorial‘“ ist
beendet. Die offene Kampagne gegen unsere Organisation, die ständigen
neuen „Aufforderungen“, „Verordnungen“, „Einsprüchen“ und „Klagen“ der
Staatsanwaltschaft machen es einfach unmöglich, die Arbeit wie früher
fortzuführen.
Auf den Einsatz für die Rechte gefährdeter Gruppen –
Roma und Migranten, verschiedener Minderheiten, Frauen und Kinder – hat
die Staatsanwaltschaft mit handfesten politischen Repressionen
reagiert. Denn die Klage, mit der das ADZ gezwungen werden sollte, seine Tätigkeit als die „einer NGO, die die Funktion eines ausländischen Agenten
ausübt“, zu deklarieren, ist eine Repressionsmaßnahme. Die Richterin des
Lenin-Bezirksgerichts St. Petersburg Anna Moros hat der Klage
stattgegeben. Das ADZ hat weder die Klage noch die Gerichtsentscheidung als legitim akzeptiert und wird dies auch nicht tun.
Aber wenn man mit diesem Makel versehen ist, kann
man nicht mit Schulen und Fachhochschulen zusammenarbeiten, nicht mit
Arbeitsinspektionen, die die Arbeitsbedingungen von Migranten
überprüfen, und nicht mit Verwaltungsorganen in Regionen, in denen
Roma-Familien leben.
Wir sehen uns daher gezwungen, die Projekte im
Rahmen des ADZ Memorial aufzugeben. Wir hoffen jedoch, dass die Arbeit
in allen Bereichen weiter geht.
Das ADZ Memorial (dies ist bereits die Bezeichnung
für eine internationale Menschenrechtsorganisation) wird weiterhin
Informationen über Menschenrechtsverletzungen an Minderheiten und
anderen gefährdeten Gruppen sammeln und auswerten. Es wird
Diskriminierung bekämpfen, Analysen erstellen, Berichte und Aufsätze
publizieren und die Website adcmemorial.org betreiben.
Wir sind gezwungen, die juristische Person aufzugeben, aber nicht unsere Tätigkeit
Als private gemeinnützige Einrichtung hat das ADZ
Memorial hat fast sechs Jahre existiert. In diesen Jahren haben wir viel
erreicht, aber es bleibt noch mehr, was uns nicht gelungen ist. Wir
konnten uns für die Rechte einiger hundert einsetzen, aber wir konnten
die Praxis der Diskriminierung nicht beenden. Wir konnten Missstände
bekannt machen, wie die Segregation von Kindern in den Schulen, die
Polizeigewalt gegen schutzlose Personen, deren einzige Schuld in ihrem
„Äußeren“ besteht, die katastrophale soziale und ökonomische Situation
von Migranten und Roma. Aber es ist uns nicht gelungen, zu erreichen,
dass die Normen des russischen und internationalen Rechts gegenüber den
Gruppen und Personen, die zu unseren Schützlingen gehören, eingehalten
werden.
Es gilt also weiterzuarbeiten, ungeachtet der Hindernisse, die man uns in den Weg legt.
Wir bedanken uns bei all jenen, die uns in der für
unsere Organisation schweren Zeit unterstützt haben und für uns
eingetreten sind, die die lange Geschichte der Schikanen gegen das ADZ
gewissenhaft und verantwortungsbewusst öffentlich gemacht haben, die die
Gerichtstermine verfolgt und ihnen beigewohnt haben, die darüber
gelesen und an uns gedacht haben.
Wir können nicht alle nennen, man möge es uns
nachsehen, wenn jemand in der Aufzählung fehlt. Besonders möchten wir
die grundsätzliche Position des UNO-Komitees gegen Folter würdigen, das
die Drangsalierung unserer Organisation wegen der Zusammenarbeit mit
diesem Komitee und wegen der Veröffentlichung unseres Berichts über
Polizeiwillkür scharf verurteilt hat. Wir danken der Internationalen
Föderation für Menschenrechte (FIDH), die immer wieder die
Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf unsere
beklagenswerte Situation gelenkt hat, und ebenso allen weiteren
Organisationen, die Erklärungen zu unserer Unterstützung abgegeben
haben, darunter Human Rights Watch, Frontline for Human Rights
Defenders, Civic Solidarity Platform, der Internationalen Gesellschaft
MEMORIAL, Amnesty International, dem Zivilform „EU-Russland“, dem
Europäischen Zentrum für die Rechte der Roma, Minorities Rights Group.
Wir danken all jenen, die sich persönlich gegen die
ungerechten Verfolgungen gewandt haben, in Roma-Mailinglisten und in
Publikationen, die aus dem fernen Zentralasien Solidarität bekundet und
die bei allen möglichen Treffen und Konferenzen über unsere Notlage
berichtet haben.
Die große Unterstützung, die uns durch die Medien
zuteilwurde, erfüllt uns nicht nur mit Dankbarkeit, sondern auch mit
Stolz. Ungeachtet der Tatsache, dass in unserem Fall eindeutig ein
staatlicher Auftrag vorlag, haben die Journalisten über uns fast nur
positiv berichtet (das NTV zählt hier nicht, aber selbst dort wurden wir
nicht besonders attackiert!).
Solange Journalisten über politische Verfolgungen
die Wahrheit schreiben können und wollen – wenn auch nur in einigen
wenigen Publikationen – ist nicht alles verloren. Und dass sie es
„wollen“ ist hier wichtiger als das sie es „können“.
Nicht nur Journalisten, wir alle werden das können, was wir wollen!
Ein gutes neues Jahr! Auf ein neues ADZ!
Quelle: adcmemorial.org/www/8489.html
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