Mittwoch, 9. Oktober 2013

„Wir lassen uns nicht unterkriegen – Russlands Zivilgesellschaft unter Druck“

Unter diesem Titel fand am 7. Oktober im Foyer des Kammermusiksaals der Philharmonie von Berlin vor dem Konzert für Menschenrechte eine Gesprächsrunde statt. Astrid Frohloff (Reporter ohne Grenzen) sprach mit Svetlana Gannuschkina (Memorial, „Zivile Unterstützung“) und Peter Franck (Amnesty International).
Swetlana Gannuschkina erläuterte die Gründe für ihr Ausscheiden aus dem Menschenrechtsrat beim Präsidenten, dessen Mitglied sie jahrelang gewesen war. Unmittelbarer Anlass war am 24. September 2011 die Erklärung von Präsident Medvedev, für eine weitere Amtszeit nicht zu kandidieren. Diese Entscheidung sei vor vier Jahren mit Putin abgesprochen worden. Für Svetlana Gannuschkina war dies ein Schlag ins Gesicht – sie fühlte sich als Vertreterin der Zivilgesellschaft und als Staatsbürger so wenig ernst genommen, dass sie ihre weitere Tätigkeit in einem Rat beim Präsidenten nicht mehr für sinnvoll hielt.

Die folgende Zeit habe ihre negativen Erwartungen bestätigt: Gegen jedes der restriktiven Gesetze, die nach Putins Amtsantritt verabschiedet wurden, meldeten sowohl der Vorsitzende des Menschenrechtsrat Fedotov als auch der Menschenrechtsbeauftragte Lukin bei Präsident Putin immer wieder Bedenken an und übergaben ihm persönlich ausführliche Gutachten, die die geplanten Gesetze analysierten und eindringlich kritisierten. Keiner ihrer Einsprüche hatte Erfolg.

Svetlana Gannuschkina berichtete über die Überprüfungen bei den beiden Organisationen, denen sie angehört – dem Menschenrechtszentrum Memorial und „Zivile Unterstützung“ – einer Flüchtlingshilfeorganisation. Das Menschenrechtszentrum erhielt danach eine Aufforderung, sich als „ausländischer Agent“ zu registrieren. Natürlich hat das Zentrum Widerspruch eingelegt, die Gerichtsverhandlung wurde mehrfach vertragt und ist jetzt für den 18. November anberaumt.

Die Mitarbeiter von „Zivile Unterstützung“ hatten, nachdem die Staatsanwaltschaft immer absurdere Forderungen gestellt und innerhalb kürzester Zeiträume Unmengen von Unterlagen verlangt hatte, sich schließlich geweigert, diesen Forderungen nachzukommen. Dafür wurde die Organisation mit einer Strafzahlung belegt, die inzwischen (nach erfolglosem Widerspruch) rechtskräftig ist. Außerdem hat die Organisation gegen die Überprüfung selbst geklagt, die in ihren Augen gesetzwidrig ist. Das Urteil steht noch aus, und Svetlana Gannuschkina rechnet mit weiteren Überprüfungen.

Für Peter Franck ist das Gesetz schon wegen seiner mangelnden Präzision und ungenauen Bestimmungen problematisch. So ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Jede Organisation, die in irgendeiner Weise versucht, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, kann als politisch tätig eingestuft werden. Wenn sie Fördergelder aus dem Ausland erhalten hat, gilt sie damit als "ausländischer Agent".

Peter Franck wie Svetlana Gannuschkina wandten sich ausdrücklich an eventuell anwesende Vertreter Russlands, etwa Mitarbeiter der Russischen Botschaft, und betonten, dass sich die Arbeit ihrer Organisationen keineswegs gegen Russland richte. Im Gegenteil, "wir lieben unser Land", so Svetlana Gannuschkina.

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