Dienstag, 21. August 2012

"Pussy Riot": Schlusswort von Nadja Tolokonnikova am 8.8.2012 vor Gericht


Im Allgemeinen richtet sich der laufende Prozess nicht über drei Sängerinnen der Gruppe «Pussy Riot». Wenn es so wäre, dann hätte das, was hier abläuft, absolut keine Bedeutung. Dieser Prozess richtet sich gegen das ganze staatliche System der R(ussländischen) F(öderation), dem es, zu seinem eigenen Leidwesen, so gefällt, in der Grausamkeit dem Menschen gegenüber, in der Gleichgültigkeit gegenüber seiner Ehre und Würde, das Allerschlechteste, was überhaupt in der russischen Geschichte geschehen ist, zu zitieren. Die Imitation des Gerichtsprozesses nähert sich den Standards der stalinschen «Troikas» an. So ist auch bei uns: Untersuchungsrichter, Richter, Staatsanwalt — und die politische Bestellung von Repressionen, die die Worte, Handlungen und Entscheidungen aller drei vorherbestimmt.
Wer ist schuld am Auftritt in der Christus-Erlöser-Kathedrale und am folgenden Prozess gegen uns? Das autoritäre politische System. «Pussy Riot» beschäftigt sich mit oppositioneller Kunst oder auch mit Politik, die sich an Formen orientiert, die von der Kunst ausgearbeitet worden sind, jedenfalls ist es eine Form der zivilen Tätigkeit unter den Bedingungen der Unterdrückung der grundlegenden Menschenrechte — der bürgerlichen und politischen Rechte — durch das korporative staatliche System. Junge Leute, denen in den Nullerjahren durch die planmäßige Vernichtung von Freiheiten unerbittlich und methodisch die Haut abgezogen wurde, begannen den Aufstand. Wir suchten echte Aufrichtigkeit und Einfachheit und fanden sie im heiligen Blödsinn einer Punk-Performance.
Leidenschaftlickeit, Offenheit, Naivität sind höher als Heuchelei, Täuschung, aggressive Wohlanständigkeit, die Verbrechen maskiert. «Die ersten Gesichter» des Staates stehen in der Kathedrale mit richtigen Gesichtern, aber, indem sie täuschen, sündigen sie mehr als unsereiner.