Mittwoch, 10. Februar 2016

Gericht in Tatarstan verfügt Auflösung von "AGORA"

Erneuter Schlag gegen russische Zivilgesellschaft

 

Das Oberste Gericht von Tatarstan hat heute auf Antrag des russischen Justizministeriums die Auflösung der Menschenrechtsorganisation AGORA verfügt, die ihren Sitz in Kasan hat.

AGORA ist eine NGO von Juristen und Anwälten, die unentgeltliche Rechtshilfe leistet und in mehreren Regionen juristische Aufklärung durchführt.

Sie wurde im Juli 2014 als „ausländischer Agent“ verzeichnet und hat diese Entscheidung erfolglos angefochten. Danach hat sie versucht, ihre Austragung aus dem Register zu erreichen. Wie der frühere Leiter von AGORA, Pawel Tschikow, erklärte, bekommt AGORA seit fast einem Jahr keinerlei finanzielle Unterstützung mehr (auch nicht aus dem Ausland).

Das Justizministerium begründete seinen Antrag damit, dass AGORA versuche, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen und sich zugleich um eine Austragung aus dem „Agentenregister“ bemühe, in das sich die Organisation auch nicht freiwillig habe eintragen lassen. Die Tätigkeit der Organisation "bedroht die nationale Sicherheit, die Grundlagen der Verfassungsordnung, Leben und Gesundheit anderer Bürger. Ihre Verstöße sind irreparabel."

Der Anwalt von AGORA, Ramil Achmetgaliew, bestreitet diese Vorwürfe, nicht zuletzt unter Hinweis auf die zahlreichen Überprüfungen, denen AGORA in den letzten Jahren unterzogen wurde. Danach hätten Gerichte zwar wiederholt Gesetzesverstöße auf Seiten der Überprüfungsinstanzen moniert, allerdings habe es keine Beanstandungen der Tätigkeit von AGORA gegeben. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, AGORA wird sie beim Obersten Gericht der Russischen Föderation anfechten.

In Menschenrechtskreisen hat die Gerichtsentscheidung Bestürzung und Proteste ausgelöst. Die Menschenrechtsbeauftragte Ella Pamfilowa sieht darin die Folge einer zu breiten Auslegung des Begriffs der „politischen Tätigkeit“: „Auf der Grundlage einer willkürlichen Auslegung ist eine unbequeme Menschenrechtsorganisation aufgelöst worden. Die heutige Entscheidung ist ein deutliches Indiz für einen systemischen Mangel, den wir leider bisher nicht beseitigen konnten.“ Tatjana Lokshina von Human Rights Watch sprach von einem „Schlag gegen die Zivilgesellschaft“.

Pawel Tschikow spricht von einem „unmittelbaren Auftrag des Bundes[justiz]ministeriums. Es gibt ganz offensichtlich eine kleine Shortlist führender Menschenrechtsorganisationen, die mit allen Mitteln vernichtet werden sollen. Dazu gehören das Komitee gegen Folter, Memorial, Golos und AGORA – das ist das Minimum.“

10. Februar 2016

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