Mittwoch, 18. Februar 2015

Erneuter Aufruf einer russischen Bürgerinitiative für Nadeschda Sawtschenko

Bereits Ende Januar hatten russische Bürger einen weltweiten Appell für die Freilassung von Nadija Sawtschenko initiiert. Hier folgt ein weiterer Aufruf, diesmal an Präsident Putin gerichtet.

Herr Präsident!

Wir wenden uns an Sie als an den Garanten für die Einhaltung der Gesetze innerhalb unseres Landes. Dabei spielt es keine Rolle, ob bei der Einhaltung der Gesetze bezüglich menschlicher Behandlung und eines fairen Gerichtsverfahrens um einen Bürger Russlands oder den Bürger eines anderen Landes geht.

Wir weisen Sie darauf hin, dass sich die Bürgerin der Ukraine Nadeschda Sawtschenko seit dem 16. Dezember als Zeichen des Protestes gegen ihre Entführung vom Territorium der Ukraine und ihre Haft in Russland in einem unbefristeten Hungerstreik befindet. Ihre Gesundheit und ihr Leben sind in Gefahr. In wenigen Tagen wird sie sterben.

Nadeschda Sawtschenko ist seit Anfang Juni 2014 in unterschiedlichen Untersuchungsgefängnissen Russlands in Haft. Ende Oktober hat das Gericht des Basman-Bezirks ihre Untersuchungshaft bis zum 13. Februar 2015 verlängert.

Währenddessen ist die Schlüssigkeit der Anklage gegen Sawtschenko bis heute in keiner Weise belegt. Ihre Verteidigung verfügt über Beweise, dass sie an dem Tod russischer Journalisten durch Granatwerferbeschuss in der Nähe von Lugansk in keiner Weise beteiligt sein konnte. Sawtschenko hat ein stichhaltiges Alibi: Lange bevor der Beschuss begann, war sie von Separatisten gefangengenommen worden. Diese Beweise sind von der gerichtlichen Voruntersuchung nicht widerlegt worden. Mehr noch, die Untersuchungsrichter haben die von der Verteidigung vorgelegten Unterlagen bis heute nicht geprüft.

Am 25. Januar wurde dieser eine zweite, vollkommen absurde Anklage hinzugefügt: Sawtschenko wird nun außerdem des „illegalen Grenzübertritts“ beschuldigt, obwohl sie mit Gewalt und unter Bewachung über die Grenze verbracht worden war.

Die vorliegende Situation erfordert Ihr Eingreifen zur Wahrung der von der Verfassung garantierten Grundrechte in diesem konkreten Fall.  Nadeschda Sawtschenko muss aus der Haft befreit und ihr Leben auf diese Weise gerettet werden.

Die russische Gesetzgebung sieht selbst bei Personen, gegen die Anklage wegen schwerer Verbrechen erhoben wird, alternative Möglichkeiten der verfahrenssichernden Ermittlungsmaßnahmen vor – die Verpflichtung, das Land nicht zu verlassen, Hausarrest. Es gäbe keinerlei technische Schwierigkeiten, Sawtschenko unter Hausarrest zu stellen.

Den Verlautbarungen der russischen Regierung zufolge ist diese nach wie vor der Ansicht, unser Land sei ein demokratischer und humaner Staat, wo keine außergerichtliche Bestrafung aus Motiven politischen Hasses oder persönlicher Rache vollzogen wird. Sawtschenkos Befreiung aus der Haft wäre ein gutes Argument dafür, dass Russland ein zivilisierter Staat geblieben ist.

In Russland gibt es seit altersher eine große Tradition der Barmherzigkeit. In unserem Land war ein deutscher Arzt tätig, Friedrich-Joseph Haass, der „heilige Doktor von Moskau“, der alle seine Kräfte für die Verbesserung der Lage von Häftlingen einsetzte. Heute bitten wir im Gedenken an ihn darum, Nadeschda Sawtschenko die Barmherzigkeit zu erweisen, von der ihr Leben abhängt.

Erstunterzeichner:

Soja Swetowa
Ljudmila Ulitzkaja
Ljubow Summ
Swetlana Alexijewitsch
Irina Schtscherbakowa
Irina Prochorowa
Lew Rubinstein
Alexander Archangelski
Grigori Michnow-Woitenko
Alla Bossart


10. Februar 2015
Bisher (11.2.) über 8000 Unterschriften

Übersetzung: Christiane Körner

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