Arsenij Roginskij zum Vorgehen des Justizministeriums gegen den russischen Dachverband von MEMORIAL
In den letzten Tagen sorgten Meldungen für
Verwirrung und Unruhe, das russische Justizministerium habe die
Auflösung der Menschenrechtsorganisation MEMORIAL in die Wege geleitet.
Dies war in einer Sendung des für seine diffamierenden und entstellenden
Darstellungen bekannten Kanals NTV behauptet worden.
Das Justizministerium hat tatsächlich beim Obersten
Gericht die Auflösung der russischen Organisation MEMORIAL beantragt. Es
handelt sich hier um den russischen Dachverband von MEMORIAL, dem über
60 Regionalverbände sowie Vereinigungen, die zu bestimmten Themen
arbeiten (wie historische Aufarbeitung, Menschenrechte), angehören.
Arsenij Roginskij erläutert die Situation und das Vorgehen des Justizministeriums:
„…Zunächst ist klarzustellen, dass es mehrere
Organisationen von „Memorial“ gibt, die in Russland registriert sind.
Das sind einmal die Internationale Gesellschaft MEMORIAL und die
russische Gesellschaft MEMORIAL für historische Aufklärung, soziale
Fürsorge und Menschenrechte. Juristisch sind das zwei selbstständige
Organisationen. – Das Justizministerium hat beim Obersten Gericht den
Antrag eingereicht, jene russische Gesellschaft MEMORIAL aufzulösen, die
im Jahre 1992 registriert wurde und der bis heute unterschiedliche
Strukturen angehören, die in verschiedenen russischen Regionen tätig
sind. (…)
MEMORIAL ist ‚von unten‘ entstanden, d. h.
verschiedene Verbände, die in den Regionen arbeiteten, haben gemeinsam
beschlossen, eine zentrale russische Organsisation zu gründen. Bis 2012
ab es keinerlei Einwände gegen dieses Modell, das übrigens so auch in
der Satzung verankert ist. Warum das Justizministerium zwanzig Jahre
nach der Registrierung den Status von MEMORIAL in Frage stellt, obwohl
ihr nach wie vor praktisch dieselben regionalen Organisationen angehören
und sich die Gesetzgebung in dieser Hinsicht nicht geändert hat, ist
mir unbekannt.“
Eine offizielle Mitteilung vom Justizministerium hat Memorial im Übrigen nicht erhalten, wie Roginskij betont:
„Wir haben keine Mitteilung des Justizministeriums
in Händen, sondern nur ein Telegramm vom Obersten Gericht, das etwa vor
drei Tagen eingegangen ist und in dem es heißt, dass der Antrag auf
Auflösung der Russischen Organisation MEMORIAL' auf Antrag des
Justizministeriums zur Verhandlung ansteht.“
Diese Verhandlung wurde für den 13. November
anberaumt, obwohl Memorial das Justizministerium in Kenntnis gesetzt
hatte, dass gut eine Woche danach (21-23. November) die Vollversammlung
von MEMORIAL angesetzt ist, die eine Änderung der Struktur beschließen
kann. MEMORIAL hat daher das Gericht um eine Verschiebung des Termins
gebeten.
Sollte das Gericht diesem Ersuchen nicht nachkommen
und darüber hinaus im Sinne einer Auflösung des Verbandes entscheiden,
heißt das für Roginskij indes nicht, „dass damit auch die
Mitgliedsverbände des russischen MEMORIAL liquidiert werden. Einige
werden sich dann umregistrieren müssen, und wir werden schon einen Weg
zu einer Neugründung finden.
Diese ganze Geschichte schlägt uns natürlich auf die
Stimmung und kostet viel Kraft. Sie wird unsere gesellschaftliche
Bewegung aber nicht zum Verschwinden bringen.“
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