Freitag, 10. Oktober 2014

Lügen des Fernsehkanals NTV und Beanstandungen des Justizministeriums

Erklärung des Menschenrechtszentrums MEMORIAL und der Russischen Gesellschaft MEMORIAL


Die Behauptung bei NTV, das russische Justizministerium habe die Liquidierung des Menschenrechtszentrums MEMORIAL eingeleitet, führte heute zu etlichen Irritationen. Das Menschenrechtszentrum und die Russische Gesellschaft MEMORIAL (die Dachorganisation der russischen Memorial-Verbände) haben aus diesem Anlass nachstehende Erklärung abgegeben.

Am 10. Oktober strahlte NTV unter dem Titel „Außergewöhnliches Ereignis“ eine Sendung aus, die aus böswilligen Lügen, aber auch aus Fehlinformationen in Folge von Unkenntnis bestand.

Die Arbeit des Menschenrechtszentrums MEMORIAL als Unterstützung von Extremisten und Terroristen darzustellen, ist eine infame Lüge. Auf Unkenntnis basiert hingegen die Behauptung, das Justizministerium habe deshalb den Antrag gestellt, dasMenschenrechtszentrum MEMORIALzu liquidieren.

In Wirklichkeit hat das Justizministerium beim Obersten Gericht der Russischen Föderation nicht die Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial beantragt. Es geht hier vielmehr um eine andere Organisation, nämlich die Russische Gesellschaft für historische Aufklärung, soziale Fürsorge und Menschenrechte MEMORIAL.

Die russische Gesellschaft MEMORIAL wurde vom Justizministerium bereits 1992 registriert. Bis heute befinden sich unter ihrem Dach verschiedene Memorial-Verbände, die in verschiedenen russischen Regionen tätig sind und sich mit Menschenrechtsarbeit, sozialer Fürsorge und historischer Aufklärung befassen.

Im Jahre 2012, 20 Jahre nach der ersten Registrierung, tauchten beim Justizministerium plötzlich Zweifel hinsichtlich des russischen Rechtsstatus von Memorial auf, obwohl der Gesellschaft praktisch dieselben regionalen Verbände angehören wie zuvor und sich die Gesetzeslage in dieser Frage in keinem Punkt geändert hatte.

Geändert hat sich allerdings die Position des Justizministeriums, das erneut einen „demokratischen Zentralismus“ anstrebt, der nach der Abschaffung der führenden Rolle der KPdSU nicht mehr aktuell schien. Heute erklärt das Justizministerium, nur jene gesellschaftlichen Vereinigungen könnten der Russischen Gesellschaft MEMORIAL angehören, die in ihrer Bezeichnung die Worte „Verband (otdelenie) der Russischen Gesellschaft für historische Aufklärung, Sozialarbeit und Menschenrechte MEMORIAL“ tragen.

Die gesetzliche Vorschrift, dass eine Organisation nur dann einen gesamtrussischen Status haben kann, wenn sie in über der Hälfte der Föderationssubjekte Verbände unterhält, legt das Justizministerium jetzt dahingehend aus, dass diese Verbände zwangsläufig einen Status als Regionalverbände haben müssten. Das Vorhandensein von Stadt- und Bezirksverbänden einer Organisation reicht für die Beamten als Beleg dafür nicht aus, dass die Organisation in der betreffenden Region tätig ist.

Die Vorbehalte des Justizministeriums entbehren jeglicher Grundlage. Nicht zufällig erhielten wir auf Anfragen keine Hinweise auf eine Gesetzesnorm. Für uns ist es inakzeptabel, dass das Justizministerium das von der Verfassung garantierte Recht von Bürgern, eine Vereinigung zu bilden, gesetzwidrig einschränken will. Deshalb hat sich die Russische Gesellschaft MEMORIAL bereits 2012 entschlossen, vor Gericht zu gehen.

Einen Hinweis auf ein Gesetz haben wir auch nicht erhalten, als wir 2013 die Forderungen des Justizministeriums im Moskauer Zamoskvorezki-Bezirksgericht und danach im Stadtgericht angefochten. Beide gaben, wie nicht anders zu erwarten, dem Justizministerium Recht. Deshalb wird die Russische Gesellschaft MEMORIAL in Kürze Klage beim Verfassungsgericht einreichen.

Was den Antrag des Justizministeriums betrifft, so hoffen wir, dass das Oberste Gericht bei Behandlung dieses Antrags dem Gesetz und der Verfassung mehr Respekt entgegenbringen wird als die untergeordneten Gerichtsinstanzen.

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