Erklärung zum 25. Jahrestag der Gründungsversammlung
Vor 25 Jahren fand in Moskau die Gründungsversammlung der Gesellschaft MEMORIAL statt.
Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass zur Zeit
der Perestrojka die Wiederherstellung des Gedenkens an die tragische
Vergangenheit unseres Landes zu einer nationalen Idee geworden war, wenn
auch nur für kurze Zeit.
Das Streben nach historischer Wahrheit und
zivilgesellschaftlicher Verantwortung für die Gegenwart waren die
wesentlichen Beweggründe bei der Gründung von Memorial – einer
gesellschaftlichen Organisation, die in Folge einer breiten, spontanen
Bewegung von unten, die bereits 1987 eingesetzt hatte, entstanden war.
Damals schienen uns unsere Aufgaben nicht so schwer.
Unsere Gesellschaft schien bereit, die totalitäre Vergangenheit
eindeutig und streng zu beurteilen. Schon lange waren wir davon
überzeugt, dass sie bereit sei, sich vom totalitären Erbe zu lösen, dass
derartige sowjetische Propaganda-Klischees wie das von einer
„feindlichen Umgebung“, „Umtrieben des Westens“ und einer „fünften
Kolonne“ für immer der Vergangenheit angehörten und dass „politische
Verfolgungen“ oder „politische Gefangene“ in unserem Leben keine Rolle
mehr spielen würden.
Wir haben uns geirrt. Wahrscheinlich sind unsere
Aufgaben so schnell nicht zu bewältigen. Natürlich haben wir auch selbst
Fehler gemacht – oder zwar in der richtigen Richtung gearbeitet, aber
nicht energisch und konsequent genug.
Einiges haben wir dennoch erreicht. Wir, das heißt
nicht MEMORIAL allein, sondern auch andere gesellschaftliche
Organisationen und Berufsgruppen (Historiker, Mitarbeiter von Museen,
Lehrer u. a.), die sich mit den gleichen Problemen befassen undgemeinsam
mit uns oder unabhängig von uns arbeiteten. Wir – das sind all die, die
MEMORIAL heute, wie schon vor 25 Jahren, unterstützen.
Weit mehr ist uns indes nicht gelungen, aus vielerlei Gründen.
Sowohl die Aufklärung der Vergangenheit als auch der
Kampf für Freiheit und Menschenrechte stehen nach wie vor auf der
Tagesordnung. Darin bestehen die wesentlichen Aufgaben nicht nur für
MEMORIAL, sondern für die Zivilgesellschaft insgesamt im ganzen postsowjetischen Raum.
Vielleicht für weitere 25 Jahre, vielleicht auch für länger.Wir werden also unsere Arbeit fortsetzen.
Quelle: http://www.memo.ru/d/184564.html
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