"Agentengesetz" jetzt auch in der Ukraine
In aller Eile wurde in der Ukraine eine Serie von
Gesetzen verabschiedet, die die demokratischen Freiheiten massiv
beschneiden. Dazu gehört auch ein NGO-Gesetz, das sich am russischen
Vorbild - dem so genannten "Agentengesetz" - orientiert. Wir
dokumentieren leicht gekürzt eine Erklärung
von ukrainischen Bürgerrechtlern, die von weit über 300
Menschenrechtsorganisationen und Privatpersonen unterzeichnet wurde. Auf
der Website der ukrainischen Helsinki-Gruppe werden weitere Unterschriften gesammelt.
Das am 16. Januar durch Abstimmung gebilligte und
unterschriebene Gesetz der Ukraine Nr. 3879 bedeutet eines: Für die
Ukraine bricht eine Epoche der Reaktion und des Obskurantismus an.
Dieses Gesetz wurde unter Verletzung aller
vorgeschriebenen Prozeduren verabschiedet – sowohl der Vorbereitung und
fachlichen Bewertung als auch der Behandlung im legislativen Organ des
Landes. Es verletzt fundamentale Freiheiten: Gewissens-, Meinungs-,
Informations-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit, sowie
das Recht auf Eigentum und auf Privatleben. Es verstößt gegen die
entsprechenden Verfassungsnormen und Artikel des Internationalen
UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte und die Konvention über
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Artikel 22 der ukrainischen
Verfassung.
Insbesondere „bereichert“ das Gesetz das derzeitige
juristische Vokabular um einen neuen Terminus, den „ausländischen
Agenten“. Unter diese Kategorie fallen jene gesellschaftlichen
Vereinigungen, „die Finanzmittel oder anderes Vermögen aus ausländischen
Quellen erhalten…, und die sich auf ukrainischem Territorium politisch
betätigen.“
Eine einfache linguistische und juristische Analyse
des letzten Satzes, worin sich der rechtliche Inhalt des Begriffs
„ausländischer Agent“ enthüllt, gibt Grund zur Annahme, dass von nun an
jede gesellschaftliche Organisation, die von einer beliebigen
ausländischen Stiftung, Botschaft, Organisation oder Person finanziell
gefördert wird, diesen neuen Status bekommt.
Das Gesetz verlangt von einer gesellschaftlichen
Organisation, sich unter diesem neuen Status zu registrieren, und droht
für den Unterlassungsfall mit Sanktionen. Dieses Gesetz verletzt das
wichtigste Element der verfassungsmäßigen Rechtsordnung – das Prinzip
der Rechtsstaatlichkeit - und die verfassungsmäßigen Rechte der Ukrainer
sowie von in der Ukraine lebenden Personen ohne ukrainische
Staatsbürgerschaft.
Der Terminus „ausländischer Agent“ versieht eine
Person mit einem Makel, als ginge von ihr eine Gefahr aus. Sie wird
damit einem aggressiven sozialen Scherbengericht ausgesetzt, ihr drohen
Vertreibung und Vernichtung.
Sehen wir der Wahrheit ins Auge – es bedeutet, dass
die herrschende Koalition der Zivilgesellschaft den Krieg erklärt hat.
Wir haben jedoch nicht vor, in diesem Krieg, der uns erklärt wurde, zu
kapitulieren.
Wir werden uns niemals damit abfinden, dass uns die
Machtorgane in ein soziales Ghetto treiben und das Etikett eines
„ausländischen Agenten“ anheften (…). Den Status eines „ausländischen
Agenten“ zu akzeptieren hieße, das Andenken unserer großen Vorgänger zu
beleidigen (…) die im Kampf für die Menschenrechte in der Ukraine ihr
Leben gelassen haben.
Die hinter diesen obskurantistischen Maßnahmen der
herrschenden Koalition stehenden Beweggründe sind klar. Diese Koalition
ist angesichts der massiven sozialen Proteste in panischer Angst, sie
will um jeden Preis ihre Privilegien im System erhalten, das in den
letzten drei Jahren einer neofeudalen Machtstruktur und in Folge der
Umverteilung von Eigentum entstanden ist.
Es geht in diesem ganzen unklugen und unsauberen
Spiel der herrschenden Koalition nur um eines: – die Wahlen 2015 zu
gewinnen. Deshalb hat diese Koalition schon jetzt fürden Kampf mit dem
Majdan kriminelle Kräfte mobilisiert und ruft Organisationen unter ihre
Fahnen, die die Ideologie von Schwarzhundertern vertreten und Pogrome
provozieren. (…).
Die Gesellschaft wird daher zu neuen Formen gewaltlosen Widerstandes greifen.
Nikolaj Kosyrev (Ukrainische Helsinki-Gruppe)
Arkadij Burtschenko (Ukrainische Helsinki-Gruppe)
Jevgenij Sacharov (Menschenrechtsgruppe Charkov - MEMORIAL)
Arkadij Burtschenko (Ukrainische Helsinki-Gruppe)
Jevgenij Sacharov (Menschenrechtsgruppe Charkov - MEMORIAL)
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