Donnerstag, 23. Januar 2014

Erklärung von MEMORIAL International zur Entwicklung in der Ukraine



In den letzten Tagen sind die friedlichen Proteste in der ukrainischen Hauptstadt in Gewalt von beiden Seiten umgeschlagen. Die Verantwortung hierfür liegt in erster Linie und vorwiegend bei den Machthabern der Ukraine.

Denn gerade ihre unbesonnenen Aktionen haben die Konfrontation immer wieder verschärft. Der ursprüngliche Auslöser für die derzeitige Krise war der plötzliche radikale politische Kurswechsel, den das Land am 21. November 2013 vollzogen hat.

Ein derartiger Kurswechsel – ohne jeglichen Versuch, die Meinung des Volkes über diesen Kurswechsel zu erfahren und zu berücksichtigen, ohne den Versuch, der Öffentlichkeit das Geschehen zumindest zu erklären – ist in einem demokratischen Staat undenkbar. Das führte zwangsläufig zu einem Ausbruch von Unmutsbekundungen des Volkes.

Die Situation hat sich erheblich verschärft, nachdem in der Nacht auf den 30. November der „Studenten-Majdan“ auseinandergejagt wurde, und zwar mit einer Brutalität, die unzulässig und durch nichts zu rechtfertigen ist.

Die Verabschiedung eines repressiven Gesetzespakets vom 16. Januar 2014 hat eine neue und noch deutlich schärfere Protestwelle ausgelöst. Diese Gesetze, die eiligst und unter gravierenden Verletzungen des ordnungsgemäßen Procedere von der Werchowna Rada, dem Parlament, angenommen wurden, verändern die Rechtslage in der Ukraine einschneidend. Es ist kein Zufall, dass viele Beobachter diesen Vorgang als einen „De-facto-Umsturz“ bezeichnet haben.

Inzwischen berichten die Medien aus Kiew von zahlreichen Verletzten auf beiden Seiten. Es gibt Nachrichten über Tote – auf Seiten der Protestierenden. Besonders alarmierend sind die Meldungen, dass einige Personen mit Schusswaffen getötet wurden und einer zu Tode geprügelt.

Wir verurteilen die Gewalt auf allen Seiten, sowohl der Demonstranten als auch der Machthaber. Jegliche Gewaltanwendung führt das Land zum Abgrund. Wir appellieren an die ukrainischen Behörden ebenso wie an die Führer und Teilnehmer des Protests, die Gewalt zu beenden und einen Kompromiss zu suchen.

Der erste unerlässliche Schritt auf dem Weg zu einer Stabilisierung ist unserer Auffassung nach die Aufhebung der kürzlich verabschiedeten repressiven Gesetze.

Die Suche nach einer Übereinkunft wird natürlich nicht einfach. Wir rufen beide Konfliktparteien dazu auf, zu den Verhandlungen Vermittler aus den Reihen einflussreicher Politiker hinzuzuziehen – Staatschefs anderer Länder und/oder Leiter internationaler Organisationen.

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