Alexander Kalich zur Situation der Gedenkstätte Perm-36
Die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Museum
„Perm-36“ ist leider zu ihrem logischen Ende gekommen. Alles Üble, das
sich im Lande abspielt, spiegelt sich in dieser kleinen Geschichte wider
– ein schwacher Gouverneur, der sich dreht und wendet und schließlich
dem Druck der Kommunisten beugt, ehemalige Lageraufseher, die die
Geschichte des GULAG schreiben (nein – das ist keine Metapher!).
Allen Bemühungen der autonomen
Nichtregierungsorganisation (ANO) Perm-36 zum Trotz, den Gouverneur
Viktor Basargin zu überzeugen, und ungeachtet all unserer Appelle (wir
haben über 70.000 Unterschriften gesammelt) wurde beschlossen, den Kurs
zu ändern. Aus „Perm-36“ soll ein Museum werden, das von der schweren
und edelmütigen Arbeit der heldenhaften GULAG-Mitarbeiter berichtet und
zeigt, welche Technologie sie nutzten, um unser großes Volk vor der
fünften Kolonne und Nazis aus der Ukraine zu schützen.
Stellen Sie sich vor – im Ernst! Die erste
Ausstellung im neuen „Perm-36“ ist genau diesem Thema gewidmet - den
Mitteln und technischen Methoden der Wachmannschaft, niederträchtige
Nationalisten, Faschisten und Vaterlandsverräter in Gefangenschaft zu
halten.
Im Oktober hatte eine Besprechung im Beisein von
Michail Fedotov (dem Vorsitzenden des Menschenrechtsrats) und Vladimir
Lukin (ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter) stattgefunden. Damals sah
es so aus, als hätte man sich mit der Administration
geeinigt. Es ging jetzt nur noch darum, einen Kooperationsvertrag
zwischen den beteiligten zivilgesellschaftlichen und staatlichen
Institutionen abzuschließen.
Damit hatte man Dampf abgelassen, und alle
beruhigten sich. Und dann kam es zu mehreren geheimen Zusammenkünften, man übte Druck aus … Das ist eine sonderbare Geschichte. Bei
den Diskussionen in der Präsidentenadministration hieß es ausdrücklich,
das Museum müsse in der bisherigen Form erhalten bleiben, und das
Tauziehen sollte beendet werden. Es gab viele Versprechungen. Aber dann
schalteten sich irgendwelche „unsichtbaren Kräfte“ ein. Das ist
schändlich und unsauber.
Man hat die ANO Perm-36 sdahin gebracht, dass sie
keine andere Lösung mehr sah als die Selbstauflösung. Abgesehen von
ständigen Versuchen, ihr den Status eines „ausländischen Agenten“
anzuhängen, und endlosen Schikanen und Geldstrafen, bestand der
Hauptgrund darin, dass die neue Museumsleitung die Zielsetzung des
Museums unbedingt ändern und das Museum umfunktionieren wollte.
Der ganze Skandal hatte damit begonnen, als die Idee
aufgekommen war, Perm-36 ins Bundesprogramm zum Gedenken an die Opfer
politischer Verfolgungen zu integrieren. Das stellte eine Finanzierung
von etwa 500 Millionen Rubeln in Aussicht. Was folgte, glich einer
feindlichen Übernahme: Ohne dass die ANO "Perm-36" davon Kenntnis gehabt
hätte, wurde eine staatliche Organisation ins Leben gerufen und die
bisherige Direktorin des Museums (Tatjana Kursina) abgesetzt, und erst
dann wurde die ANO „Perm 36“ informiert. Dabei ist es diese Organisation
gewesen, die das Museum ins Leben gerufen und eingerichtet hat; ich
selbst habe die ersten Steine mit angebracht.
Jetzt stellt sich die Frage, ob das „neue“ Museum
überhaupt noch eine Gedenkstätte sein wird oder nicht. Die UNESCO hatte Interesse
angemeldet: Es sollte den Status eines Denkmals der Weltgeschichte
bekommen. Wie soll sich MEMORIAL Perm dazu verhalten? Wir werden (…) uns
dafür einsetzen, dass das Museum in seiner augenblicklichen Ausrichtung
weder ins Programm zum Gedenken an die Opfer politischer Verfolgung
integriert noch in das Verzeichnis der UNESCO aufgenommen wird.
Die Stadt Perm hatte seinerzeit den Ruf, die
Hauptstadt der Zivilgesellschaft zu sein. Jetzt ist es ein Ort, der sich
im Niedergang befindet. Wie übrigens ganz Russland. Die Geschichte mit
„Perm-36“ fügt sich in den gesamten Hintergrund ein, es entspricht der
gesamten derzeitigen Entwicklung in Russland: Krieg, die Ermordung von
Nemzow …
Es bleibt kaum noch Luft zum Atmen.